Aktuelle Urteile zu Auswirkungen der Corona-Krise auf Mietzahlungen bei Gewerbetreibenden
#1
Eine durch die COVID-19-Pandemie bedingte Betriebsbeschränkung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache
i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch
geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 232, 178 = IMR 2022, 65 = IBR 2022, 152 = NJW 2022, 1370)
#2
Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch
des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht
(im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 232, 178 = IMR 2022, 66 = IBR 2022, 153 = NJW 2022, 1370)
#3
Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen,
die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemie-bedingten Nachteile erlangt hat. Zudem ist zu berücksichtigen, ob und in welchem
Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen, etwa infolge geleisteter Kurzarbeit, erspart hat.
BGH, Urteil vom 13.07.2022 - XII ZR 75/21
Rechtliche Grundlage zu Ladenschließungen während der CORONA-Pandemie
Die Bundesregierung bzw. die Landesregierungen haben aufgrund der CORONA Krise Ladenschließungen angeordnet.
Damit ist den Mietern der Gebrauch der Mietsache genommen. Das dürfte einerseits keinen Mangel der Mietsache darstellen, denn das behördliche Verbot knüpft
an die angebotene Ware oder Dienstleistung und damit an die Person bzw. das Unternehmen des Mieters an.
Andererseits sieht § 313 Abs. 1 BGB vor:
"Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit
anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann."
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Es kann auch argumentiert werden, dass sich bei einer flächendeckenden Untersagung einer vertraglich vereinbarten Nutzung nicht bloß das Verwendungsrisiko des Mieters realisiert, sondern eine derartige übergreifende Möglichkeit der Nutzung der Mietsache in den Risikobereich des Vermieters fällt.
Im zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 heißt es:
"(1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis
30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.
Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen.
Die Glaubhaftmachung von Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist dort einfach, wo es zu behördlich angeordneten Ladenschließungen kommt.
In allen anderen Bereichen ist der Zusammenhang glaubhaft zu machen.
Sowohl nach dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht als auch nach § 313 BGB, der gegenüber
dem COVID-19-Gesetz nachrangig sein dürfte, dessen Rechtsgedanke aber in die Regelung des COVID-19-Gesetz lesen muss, kann die Miete aber nicht ohne weiteres auf Null gesetzt werden.
Unseres Erachtens spricht viel dafür, dass sich mit den Geschäftsschließungen maßgeblich das Geschäftsrisiko des Mieters verwirklicht. Zumal zu berücksichtigen ist, dass es sich um
Dauerschuldverhältnisse handelt, in deren Rahmen der Mieter den Vermieter, außer bei der Umsatzmiete, auch nicht an seinen Gewinnen der Vorjahre hat partizipieren lassen.
Da aber letztlich beide Parteien ein Interesse daran haben dürften, das Vertragsverhältnis durch die Krise zu bekommen und aufgrund der ungeklärten Rechtslage, ist dringend anzuraten,
eine einvernehmliche Lösung zu finden. Aus reiner Vermietersicht kann indessen möglicherweise auch schlicht zugewartet werden. Die politische-juristische Diskussion scheint jedenfalls
gerade erst begonnen.
Letztlich bleibt es, wie so häufig und insbesondere in der Gewerbemiete, eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles."
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Häufig gestellte Fragen zum Gewerberecht (FAQ)
▼Welche sind die Voraussetzungen für eine Mietminderung ?
Auch im Gewerbemietrecht setzt jede Mietminderung einen Mangel an der Mietsache voraus.
Jeder eigenverantwortlichen Schließung von Seiten des Mieters, wie aktuell vielfach aus wirtschaftlichen Gründen, fehlt es jedoch an einem solchen Mangel. Die Gewerbemiete
ist somit auch weiterhin in voller Höhe zu entrichten.
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▼Mietminderung auch bei einer behördlich angeordneten Schließung ?
Wird die Benutzung einer Gewerbeimmobilie untersagt aufgrund einer behördlichen Anordnung (z.B. bei Gefahrenlage), kann eine Mietmiderung in Betracht kommen.
Bezieht sich die Nutzung einer Immobilie hingegen lediglich auf eine bestimmte Betriebsart, kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an.
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